Juraj Herz (Germany/Austria/Czech
Republic 2010)
104 min
Deutsch
SALU/DVD/HAB/SF
Webseiten: Habermann
Seit Generationen wird das örtliche Sägewerk von der Familie August Habermanns betrieben. Als er Jana, eine Halbjüdin, heiratet, scheint sein Glück perfekt. Doch die friedlichen Zeiten enden jäh: Das Sudetenland wird 1938 "heim ins Reich" geholt, Sturmbannführer Koslowski terrorisiert die Dorfbewohner und stellt Jana unverhohlen nach. Der unpolitische Habermann gerät zwischen alle Fronten - den Nazis gilt er als Freund der Tschechen, für die Tschechen ist er nun kein Mitbürger mehr, sondern verhasster Besatzer.
Juraj Herz
erzählt preisgekrönt vom Schicksal der Sudetendeutschen während des Zweiten
Weltkriegs, bereitet (schwierige) Geschichte differenziert und packend auf.
Hasserfüllte Schreie. Wütendes Gedränge. Ein kleiner Dorfbahnhof im
Sudetenland. Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, Deutsche werden von aufgebrachten
Tschechen aus dem Land gejagt. Angst und Gewalt, Neid und Rachegelüste
allenthalben. Dann ein Sprung zurück ins Jahr 1937. Die Zeiten sind friedlich.
Der deutsche Unternehmer August Habermann betreibt im Ort ein gut gehendes
Sägewerk, das seit vier Generationen seiner Familie gehört. Die angestellten
Tschechen schätzen ihren Chef und er respektiert sie, bezahlt anständig und hat
stets ein offenes Ohr für ihre Probleme. Nun steht seine Hochzeit mit der
bildhübschen Jana an, einer Halbjüdin, die im Waisenhaus aufwuchs. Habermanns
Glück scheint perfekt.
Während im Fernsehen Blitzkrieg, Stalingrad und Rommels Wüstenfeldzug
pseudowissenschaftlich-populär aufbereitet werden und für ansprechende Quoten
sorgen, bleiben die Kriegsnebenschauplätze gern unbeachtet. Zu unspektakulär,
ungeeignet in Sachen Heroisierung. Das Problemfeld Sudetendeutschland etwa, die
Benes-Dekrete, heute noch politischer Zankapfel zwischen Deutschland,
Österreich und Tschechien. Darum geht es im weitesten Sinn in dieser
deutsch-tschechisch-österreichischen Koproduktion, die lose auf wahren
Begebenheiten fußt und dessen Drehbuch Wolfgang Limmer ("Pfarrer
Braun") sehr frei nach Josef Urbans Roman "Habermanns Mühle"
verfasst hat.
In die anfängliche Idylle, Habermann feiert gerade die Geburt seiner Tochter,
platzt die Nachricht, dass das Sudetenland "heim ins Reich" geholt
wurde. Mit dieser Botschaft taucht auch Sturmbannführer Koslowski (perfide gut:
Ben Becker) auf, der fortan alle Nicht-Arier terrorisiert und Jana
(unterfordert: Hannah Herzsprung) nachstellt - obwohl sie kein "deutsches
Mädel" ist. Versiert führt Juraj Herz, für seine Regieleistung - wie
Titelheld Mark Waschke auch - mit dem Bayerischen Filmpreis belohnt, seine
Figuren ein, erdet sie und setzt sie miteinander in Beziehung. Dabei
interessiert der Tscheche sich nicht für eine konkrete Geschichte, ein
bestimmtes Schicksal, sondern entwirft ein Panorama jener bewegten Tage, zeigt wie
alles Private politisch wird und umgekehrt.
Die "Guten" und die "Bösen" - sieht man vom sadistischen
SS-Schergen Koslowski ab - gibt es so nicht. Nur noch Verführer und Verführte -
etwa Augusts Bruder Hans (Wilson Gonzalez Ochsenknecht), der sich von plumpen
Nazi-Parolen vereinnahmen lässt -, Reiche und Arme, Aufrechte und Verräter, wie
der eitle Bürgermeister des Ortes, der den neuen Herren Janas Herkunft verrät
und ihre Deportation verantwortet. Düster und gedeckt, in erdigen Grün- und
Brauntönen, hält Kameramann Alexander Surkala seine Bilder, die bewusst (und
zurückhaltend) eingesetzte Action ist sauber inszeniert, Christian Lonks
Schnitt funktional und effektiv. "Habermann" besticht als um
politische Wahrheiten bemühtes Drama, das (schwierige) Geschichte differenziert
aufbereitet, historische Ungerechtigkeiten direkt anspricht und gleichzeitig
spannend und intelligent unterhält. geh. (kino)
Foto auf dieser Seite: wdr