Schlafkrankheit


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Ulrich Köhler (Germany/France 2011)

SALU/DVD/SK/SF

91 min

Languages: Deutsch, French

Subtitles: French

 


Inhalt

Ebbo leitet in Afrika ein Projekt zur Bekämpfung der Schlafkrankheit. Seine Frau Vera, die hier seit 20 Jahren mit ihm lebt, fühlt sich auf dem "Schwarzen Kontinent" aber nicht mehr wohl - vor allem seitdem Tochter Helen in Deutschland ein Internat besucht. Ebbo mag aber nicht in das Land heimkehren, das ihm fremd geworden ist, und trennt sich schweren Herzens von der geliebten Vera. Drei Jahre später reist ein französischer Mediziner nach Kamerun. Dort trifft er auf Ebbo - und lernt in ihm einen verlorenen Menschen kennen.


Kritik

Drama eines zwischen Idealismus und Zynismus zerrissenen europäischen Arztes, der sich im Herzen Schwarzafrikas verliert.


Keine Bilder von rosa Flamingos, romantischen Sonnenuntergängen oder weiten Savannen: Ulrich Köhler schaut unter die pittoreske Oberfläche, dorthin wo Korruption blüht, die Gier nach Subventionen und selbst die typische Kleidung aus China stammt. Er zeigt kein Gutmensch-Afrika, sondern ein Afrika wie eine schmerzende Wunde. 

Seit über 20 Jahren leben Ebbo und Vera Velten auf dem schwarzen Kontinent, wo der Mediziner die Schlafkrankheit bekämpft. Während er seinen Job dort nicht aufgeben möchte, will sie zurück, auch wegen der 14jährigen Tochter. Velters verspricht, schnell nachzukommen. Dann ein Sprung - drei Jahre später soll Alex Nzila, ein junger schwarzer Mitarbeiter der WHO aus Paris Velters Arbeit evaluieren und stößt auf ein verrottetes Krankenhaus mit nur einem Patienten. EU-Gelder wurden veruntreut, der Doktor, inzwischen mit einer Einheimischen liiert, ist ein weißes Wrack, das auf ein determiniertes Schicksal zusteuert. 

Ulrich Köhler, der in "Bungalow" und "Am Montag kommen die Fenster" von Fluchten im eigenen Land erzählt, zeigt hier die Flucht vor der mickrigen Existenz in Deutschland. Während die erste Hälfte sich auf die Figur von Velten konzentriert, rückt in der zweiten der europäisch und urban geprägten Nzila mit kongolesischen Wurzeln in den Fokus. Die beiden Männer ergänzen sich wie zwei Seiten einer Medaille. Der in Frankreich Aufgewachsene fühlt sich unwohl auf dem Kontinent seiner Vorfahren, der Deutsche versucht, sich mit aller Macht zu assimilieren und rutscht nur immer mehr in die Rolle des Außenseiters. Beide eint ihre Hilflosigkeit. 

Köhlers Afrika ist oft feindlich in Dunkelheit getaucht, in vielen Einstellungen blitzen nur die Taschenlampen, die nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit geben. Zwischen Postkolonialismus, Idealismus und Zynismus verliert sich die Hauptfigur. Es sind die zwei unterschiedlichen, aber immer eurozentrischen Perspektiven, die den Vertreter der Berliner Schule interessieren und die Beiläufigkeit. Durch den ständigen Topic-Wechsel sinkt beim Betrachter das Interesse, die emotionalen Abgründe werden nur angerissen oder angedeutet. Der Blick ins abgründige Seelenleben und das Nachspüren individuellen Scheiterns gelingt nicht immer, aber im Gedächtnis bleiben beeindruckende Bilder eines Afrikas als Ort privater und politischer Widersprüche, die Naivität des Westens und eine aufregend authentische Geräuschkulisse. mk.
(http://www.kino.de/kinofilm/schlafkrankheit/117092)


Foto: http://www.bz-berlin.de/berlinale/schlafkrankheit-zwei-halbe-filme-article1117046.html 

© H. Werner Hess 2011