Winterschläfer

winterschlaefer


Tom Tykwer (Germany 1997)
117 min
Deutsch / French; Subtitles: English, German

SALU/DVD/WS/SF


Trailer


In einer verschneiten Kleinstadt in den Bergen erleben zwei Freundinnen Höhen und Tiefen der Liebe, verliert ein von Schicksalsschlägen ausgezehrter Bauer nach einem Autounfall seinen letzten Lebensimpuls, entdeckt ein Einzelgänger die Vorzüge bürgerlicher Zweisamkeit. Schließlich schlägt der Tod zu, aber aus der Wunde entspringt neues Leben.



Kritik

Der deutsche Film - bislang schon finanziell und nun darüberhinaus aus dem Winterschlaf erwacht. Mit einem konsequent durchdachten, einfallsreich inszenierten, sensiblen, erotischen, humorvollen und nachdenklichen Vertreter, der auf den kommerziellen Höhenflug des nationalen Kinos den qualitativen folgen läßt. Tom Tykwers Antwort auf sein vielversprechendes Debüt "Die tödliche Maria", das erste Produkt aus dem hierzulande einzigartigen Drei-Filme-Deal zwischen dem Verleih Prokino Plus und dem Filmemacher-Schulterschluß X-Filme creative pool, verbindet Stilwillen, formalen Anspruch und eine interessante Geschichte nicht zur Belehrung, sondern zur Unterhaltung des Zuschauers.

Zusammen mit Francoise Pyszora, der Autorin von "Die Vergeudung", modulierte Tykwer Motive, Figuren und Plotgerüste des zugrundeliegenden Romans zu einer spannenden Melange aus Bergtragödie, Beziehungsdrama und romantischer Komödie um. Entstanden ist ein nur inhaltlich vom Zufall gesteuertes, formal und dramaturgisch aber mit Besonnenheit geknüpftes Netzwerk aus Gefühlen, Schicksalslaunen und Charakterdispositionen, das gerne und gerade in der zentralen Figur mit unseren Erwartungen spielt. Nach einer ausgesprochen schönen Creditsequenz, in der die fünf zentralen Charaktere vorgestellt werden, entwickelt Tykwer bedächtig und sogartig seine um Tod und Erneuerung kreisende Geschichte. In deren Fokus steht der seltsame Einzelgänger René (Ulrich Matthes), der sich in der verschneiten Bergwelt Berchtesgardens in die Krankenschwester Laura (Marie-Lou Sellem) verliebt, deren Freundin Rebecca (Floriane Daniel) in ihrer nervenaufreibenden Beziehung zum Skilehrer Marco (Heino Ferch) längst die Schwerkraft zu spüren beginnt. Über diesen zwischen Liebe und Lust schwankenden zwischenmenschlichen Experimenten schwebt drohend die Tragödie des Bergbauern Theo (Josef Bierbichler - nach "Die tödliche Maria" in einer weiteren Vaterrolle), der nach dem folgenschweren Unfall seiner Tochter, in den René ahnungslos verwickelt ist, langsam zu implodieren beginnt. Wie Tykwer das Leben seiner Figuren zusammenbringt, wie Bildübergänge elegant gelöst werden, wie Ton und Einstellungen emotionale Zustände spiegeln (erstaunlich: Kameramann Frank Griebe) und die Atmosphäre von Klaustrophobie in Befreiung mündet - all das verrät hinter der Kamera internationale Klasse, die in einer, Rebeccas und Marcos Schicksal visuell verknüpfenden Einstellung, ein unvergeßliches Gesicht zeigt. Weil auch die zentralen, von Bühne und Fernsehen rekrutierten Darsteller ihre Rolle mit Präzision und Natürlichkeit erfüllen, wünscht man diesem reifen Film eine das Format (Cinemascope) widerspiegelnde breitangelegte kommerzielle und kritische Anerkennung. kob. 
(kino)

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