Die Jugend von Joschka Fischer

Politiker

1971
Arbeit bei der Opel AG Rüsselsheim. Fischer ist Mitbegründer einer Betriebsgruppe und versucht über diese, die Arbeiter zu politisieren. Seine Aktivitäten führen bereits nach einem halben Jahr zu seiner fristlosen Entlassung.

1976-1981
Fischer arbeitet kurzzeitig bei den Vereinigten Deutschen Maschinenfabriken. Anschließend macht er seinen Taxischein und arbeitet als Taxifahrer in Frankfurt/Main.

1977
Die Ereignisse im Zusammenhang mit der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer (1915-1977) durch die RAF  leiten bei Fischer nach eigenen Angaben einen Erkenntnisprozeß ein, den er als "Illusionsverlust" und "Illusionsabschleif" kennzeichnet. Fischer wendet sich daraufhin von den radikalen politischen Gruppierungen ab.

1982
Eintritt in die Partei Die Grünen.

1983-1985
Die Grünen erreichen bei den Bundestagswahlen 5,6 % der Stimmen und ziehen damit erstmals in den Bundestag ein. Fischer wird über den dritten Listenplatz seiner Partei Mitglied des Bundestages, bis er 1985 durch Rotation wieder ausscheidet. Fischer ist Mitglied des Innenausschusses und Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion. Er zählt zu den tonangebenden Mitgliedern des "realpolitischen" Flügels der Grünen und macht sich als provokanter Redner im Bundestag einen Namen.
1984
Fischer heiratet nach der Scheidung von Edeltraud Fischer seine zweite Ehefrau Inge. Mit ihr hat er zwei Kinder: David wird 1979 geboren und Lara 1983.
Veröffentlichung der Schrift "Von grüner Kraft und Herrlichkeit".

1985-1987
In Hessen wird eine rot-grüne Koalitionsregierung gebildet. Fischer wird hessischer Staatsminister für Umwelt und Energie und stellvertretendes Mitglied des Bundesrats. Damit ist er bundesweit das erste Kabinettsmitglied der Grünen. Seine Vereidigung am 12. Dezember 1985 in Turnschuhen, Jeans und Sportsakko sorgt für Aufsehen. Grundlegende politische Forderungen in der Umweltpolitik kann er nicht durchsetzen. So bleiben der Ausstieg aus der Kernenergie und ein Sofortprogramm in Sachen Müllentsorgung aus. Die Verlegung von Umweltgiften des Chemiekonzerns Hoechst auf die Sondermülldeponie Schönberg in der DDR während seiner Amtszeit zieht eine Verwaltungsklage der Stadt Lübeck und die erste Demonstration von Grünen gegen den eigenen Minister nach sich.
1986
Fischer setzt in der hessischen Landesregierung verschärfte Abwasserauflagen für Fabriken des Frankfurter Hoechst-Konzerns in Kraft, nach denen der Schadstoffgehalt künftig direkt bei der Produktionsanlage gemessen wird.

1987
8. Februar: Die Grünen beschließen aus der hessischen Regierungskoalition auszutreten, wenn die beabsichtigte Genehmigung des Hanauer Nuklearunternehmens Alkem nicht revidiert wird.
9.Februar: Der hessische Ministerpräsident Holger Börner (geb. 1931) entläßt aufgrund des gestellten Ultimatums der Grünen Fischer aus seinem Amt.
5. April: Bei den vorgezogenen Neuwahlen in Hessen erreicht die christlich-liberale Koalition die Mehrheit und bildet die Regierung. Fischer wird Fraktionschef der Grünen im hessischen Landtag.
Dezember: Heirat mit Claudia Bohn.
Veröffentlichung der Schriften "Regieren geht über Studieren. Das politische Tagebuch des grünen Ex-Umweltministers" und "Der Ausstieg aus der Atomenergie ist machbar".

1989
Veröffentlichung der Schrift "Der Umbau der Industriegesellschaft".

1990
Nach dem Scheitern der Grünen (West) an der Fünf-Prozent-Hürde bei der  ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember fordert Fischer eine Strukturreform der Partei. Er setzt die Abschaffung der Rotation, die Wahl eines Parteivorsitzenden und Doppelmandate für einen kleinen Kreis von Landes- und Bundespolitikern durch.

1991
Bei den hessischen Landtagswahlen erreichen die Grünen 8,8 % der Stimmen. Es wird eine rot-grüne Regierungskoalition unter Ministerpräsident Hans Eichel (geb. 1941) gebildet. Fischer wird stellvertretender Ministerpräsident und Staatsminister für Umwelt, Energie und Bundesangelegenheiten. Seinen ersten Erfolg erreicht Fischer mit der Einführung von Sondermüllabgaben. Im Juni 1991 ordnet Fischer die Teil-Stillegung des Siemens-Brennelemente Werks in Hanau an und im Dezember stoppt er die Uranverarbeitung in Hanau. Dies hat eine bundesaufsichtsrechtliche Weisung von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (geb. 1938) (CDU) zur Folge.

1992
Veröffentlichung des Buches "Die Linke nach dem Sozialismus".

1993
Nach einer Störfallserie bei der Frankfurter Hoechst AG fordern Fischer und Bundesumweltminister Töpfer neben einem umfangreichen Sicherheitsprogramm die Überprüfung der "Zuverlässigkeit der Betreiber".

1994
März: Ein Brand im Kernkraftwerk Biblis A löst eine Kontroverse zwischen Fischer und Töpfer über die Schuldfrage aus. Fischer fordert eine sofortige Stillegung des Reaktors.
6. Oktober: Fischer tritt von seinem Amt als hessischer Umweltminister zurück, um sich ganz in der Bundespolitik engagieren zu können. Fischer spekuliert öffentlich über die Möglichkeit einer "Ampelkoalition" zwischen SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Dabei stellt er die Bedingungen, daß die Atomenergie-Politik nicht fortgesetzt wird und keine "Militarisierung der Außenpolitik" durch Krisenreaktions-Streitkräfte stattfindet.
19. Oktober: Nach den Bundestagswahlen  am 16. Oktober wählen Bündnis 90/Die Grünen Fischer und Kerstin Müller (geb. 1963) gleichberechtigt zu neuen Fraktionssprechern der Grünen.
Veröffentlichung der Schrift "Risiko Deutschland".

1995
Juli: Fischer legt ein innerhalb der Partei heftig umstrittenes Grundsatzpapier vor, in dem er sich für die militärische Sicherung der verbliebenen UN-Schutzzonen in Bosnien ausspricht.
September: In einem Strategiepapier fordert Fischer die Grünen auf, eine Diskussion über einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel einzuleiten und sich der Frage nach einer "grünen Mittelstandspolitik" zu stellen.
November: Fischer fordert die "Interventionspflicht der UNO bei Völkermord" und entfacht damit einen neuen innerparteilichen Streit.

1996
Das Ehepaar Fischer gibt seine Trennung bekannt. Fischer überwindet nach eigenen Angaben seinen Trennungsschmerz mit asketischen neuen Lebensgewohnheiten und Langläufen.
April: Fischer schlägt für die nächsten Bundestagswahlen vor, daß SPD und Bündnisgrüne gemeinsam mit einem unabhängigen Kanzlerkandidaten der linken Mitte antreten sollen.
Fischer reist durch das ehemalige Jugoslawien, um sich ein Bild von der Situation vor Ort zu verschaffen.
13. Dezember: Fischer verkündet im Deutschen Bundestag, daß er persönlich für den SFOR Einsatz der Bundeswehr in Bosnien ist. Seine Partei hat sich allerdings dagegen entschieden.
Veröffentlichung der Schrift "Die globale Revolution. Wohlstandsverlust und Solidarität".

1998
ab Juni: Fischer setzt sich in seinem Wahlkampf für die Westbindung als notwendige Konstante deutscher Außenpolitik und für die Ostererweiterung der NATO sowie die Verlängerung des SFOR-Mandats der Bundeswehr in Bosnien ein.
27. Oktober: Nach den Bundestagswahlen wird Fischer als Vizekanzler und Außenminister im Kabinett der rot-grünen Koalition vereidigt.
28./29. Oktober: Fischer absolviert seinen Antrittsbesuch als Außenminister in Paris und reist anschließend nach Großbritannien und Polen.
3. November: Treffen mit der US-amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright (geb. 1937) in den USA.
November: Fischer fordert die NATO auf, auf den Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten und löst damit eine diplomatische Krise der rot-grünen Regierung aus. Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping erklärt dazu bei seinem Amtsantrittsbesuch in den USA, Fischer habe die NATO-Strategie "verengt aus Landessicht" betrachtet.
Veröffentlichung der Schrift "Für einen neuen Gesellschaftsvertrag. Eine politische Antwort auf die globale Revolution".

1999
Januar: Zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft erklärt Fischer die Verwirklichung der Finanz- und Agrarreform der EU, die sogenannte Agenda 2000, und die Lösung der Kosovo-Krise zu den vorrangigen Zielen der EU.
Februar: Fischer reist nach Israel und führt dort Gespräche mit dem israelischen Präsidenten Ezer Weizman (geb. 1924) und mit Premierminister Benjamin Netanyahu (geb. 1949). Anschließend trifft er in Gaza-Stadt mit Palästinenserführer Yasir Arafat (geb. 1929) zusammen.
März: Fischer kritisiert vor der UN-Menschenrechtskommission im Namen der Europäischen Union die Volksrepublik China wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen.
April: Fischer legt einen Friedensplan vor, der die Entsendung einer schlagkräftigen Streitmacht mit einem UN-Mandat nach einem Waffenstillstand im Kosovo vorsieht.
17. April: Fischer heiratet die Journalistin Nicola Leske.
Mai: Auf einem Sonderparteitag von Bündnis 90/Die Grünen in Bielefeld stellt sich die Mehrheit der Parteimitglieder hinter den Kurs von Fischer. Der Parteitag ist von heftigen Auseinandersetzungen gekennzeichnet. So wird Fischer von einem Farbbeutel getroffen, der einen Riß des Trommelfells verursacht.
10. Juni: Die G-8-Staaten verabschieden den Balkan-Stabilitätspakt, an dem Fischer federführend beteiligt war.
11. Juni: Der Deutsche Bundestag billigt den Einsatz von bis zu 8.500 Soldaten der Bundeswehr im Rahmen der Kosovo-Friedenstruppe.
Juli: Fischer trifft in Frankfurt/Main zu einem Gespräch über den Ausstieg aus der Kernenergie mit den Chefs der Energiekonzerne Veba, Viag, RWE und EnBW zusammen.
Anläßlich eines Staatsbesuches in der Türkei betont Fischer, daß er sich für die volle Mitgliedschaft der Türkei in der europäischen Union einsetzten wird.
Mit seiner ersten Rede vor der UNO-Vollversammlung in New York wirbt er für die Weiterentwicklung des UN-Systems hinsichtlich Konfliktprävention und Stärkung der regionalen Sicherheitssysteme.
22. September: Fischer fordert bei seinem ersten Auftritt vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) in New York, das Vetorecht der Mitglieder des Sicherheitsrates zu verändern und eine Begründungspflicht einzuführen.
7. Oktober: Der Deutsche Bundestag billigt den von Fischer geforderten Einsatz von Soldaten der Bundeswehr zur medizinischen Hilfe in Ost-Timor.
20. Oktober: Der Bundessicherheitsrat stimmt der Lieferung eines Leopard-II-Panzers an die Türkei zu. Obwohl der Sicherheitsrat geheim tagt, wird bekannt, daß Fischer und die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul (geb. 1942), gegen die Lieferung gestimmt haben.
November: Fischer nimmt am New York-Marathon teil und bewältigt die Strecke in 3 Stunden und 45 Minuten.
Dezember: Fischer legt die Leitlinien seiner auswärtigen Kulturpolitik im Kulturausschuß des Bundestags vor. Danach sollen die Wiedervereinigung, die Entstaatlichung vieler Lebensbereiche und die Globalisierung im Mittelpunkt stehen.
Veröffentlichung des Buches "Fit und schlank. Mein langer Lauf zu mir selbst". Darin beschreibt er unter anderem seine Gewichtsreduzierung von rund 35 Kilogramm 1996.


Quelle: LEMO